Zum Hauptinhalt springen

LSB NRW-Präsident Klett: "Hygieneregeln können im Schieß- und Bogensport eingehalten werden"

Wie ist die aktuelle Lage im Schieß- und Bogensport? Um sich über diese und weitere Fragen auszutauschen, folgte Stefan Klett, Präsident des Landessportbundes Nordrhein-Westfalen, am vergangenen Donnerstag spontan der Einladung des Rheinischen Schützenbundes zu einem Gespräch in der RSB-Geschäftsstelle. Gemeinsam mit RSB-Präsident Willi Palm gewährt er in diesem Doppel-Interview Einblicke in seine aktuelle tägliche Arbeit. Die Hoffnungen für beide Präsidenten sind derzeit natürlich die anstehenden Lockerungen in Bezug auf die Wiederaufnahme des Sportbetriebs.

RSB: Herr Klett, zunächst einmal freuen wir uns, dass sie sich die Zeit genommen haben, den Rheinischen Schützenbund zu besuchen. Wie erleben Sie als frisch gewählter Präsident des Landessportbundes NRW die aktuelle Situation in Zeiten der Corona-Krise? Das ist sicher ein komplizierter Einstieg in Ihre neue Funktion.

Stefan Klett: Das haben wir uns natürlich anders vorgestellt. Als neues Präsidium hatten wir kaum Zeit, uns inhaltlich zu finden. Auch die Klausurtagung, die geplant war, konnten wir nicht durchführen. Also es ging tatsächlich von Null auf Hundert – und alles digital. Wir mussten vom ersten Tag an Krisenmanagement betreiben und das hat wirklich sehr, sehr gut geklappt. Als erster Schritt war wichtig, dass wir als Sport in die Rettungspakete reinkommen und dass wir das Sofortprogramm für den Sport bekommen. So können wir erstmal zumindest die wesentlichen finanziellen Sorgen, die bei den Vereinen vorhanden sind, abdecken.

Jetzt kommt Schritt 2: Lockerungen erreichen. Also zumindest da, wo es irgendwie geht. Diese Themen stehen immer noch im Vordergrund. Wir haben uns das anders vorgestellt. Aber wir haben erstens eine gute Zusammenarbeit zwischen Haupt- und Ehrenamt, zweitens informieren wir uns gegenseitig gut und drittens haben wir eine sehr gute Netzwerkarbeit mit den Mitgliedsorganisationen. Das ist auch wichtig, weil wir nämlich auch viel Input aus den Verbänden benötigen, um einzuschätzen ‚Wo liegen die Probleme‘? Das habe ich auch heute hier bei dem Gespräch mit dem RSB wieder mitgenommen. Der eigentliche Einstieg in die klassische Präsidiumsarbeit, die strategische Planung der nächsten vier Jahre, das kommt dann halt mit Verzögerung.

RSB: Von der Landesregierung wurde relativ schnell ein Soforthilfeprogramm ins Leben gerufen, das auch notleidende Sportvereine nutzen können. Wie verlief die Planung dieses Programms und wie wird es bisher angenommen bzw. in Anspruch genommen?

Stefan Klett: Nach den Soforthilfeprogrammen von Bund und Land war es uns klar, dass der Sport in NRW sofort reagiert: Die Programme helfen nach den beschlossenen Öffnungen einerseits den Vereinen, die einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb haben. Aber auch Solo-Selbstständigen wird geholfen und damit auch Übungsleitern. Es gibt ja Übungsleiter, die nicht nur zum Spaß im Verein aktiv sind, sondern damit ihren Haupterwerb haben. Es ist relativ schnell gelungen, die Landesregierung auch mit starker Unterstützung der Staatskanzlei davon zu überzeugen, dass wir in dieses Rettungsprogramm reinkommen. Das war das eine. Zweiter Punkt war dann, dass wir gemerkt haben, dass es eben auch Vereine gibt, die keinen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb haben. Die nur einen ideellen Betrieb haben, wo aber trotzdem zum Beispiel durch Sportfeste Einnahmen generiert werden, die man für seinen Haushalt in der Summe braucht. Da ist es gelungen, das Zehn-Millionen-Programm zu bekommen. Dafür hat das gesamte Parlament, der Landtag, für gestimmt. Das ist bis heute sehr gut angenommen worden. Ein Viertel der Mittel sind bereits bei 300 Vereinsanträgen abgerufen worden. Als dritter Punkt ist die Übungsleiterpauschale erhöht worden und der vierte Punkt ist natürlich, dass wir die Verbände und Mitgliedsorganisationen in allen Fragen rund um rechtliche Dinge über unsere Vereinsinformations- und Beratungssysteme informieren.

RSB: Gibt es darüber hinaus noch weitere Unterstützung, die Vereine in Anspruch nehmen können, oder ist noch was in Planung?

Stefan Klett: Wir haben auch noch erreicht, dass auch die Mitgliedsorganisationen Gelder beantragen können. Da heißt, dass auch die Bünde und Verbände, wenn sie in eine schwierige Situation geraten, Geld aus dem Rettungsfond erhalten können. Was sich in den Gesprächen rausstellt, auch heute hier beim Rheinischen Schützenbund, ist, dass es in der Abwicklung und in der Umsetzung dieser Programme noch Fragezeichen gibt. Zum Beispiel: ‚Was ist, wenn die Liquidität in den nächsten Wochen runtergeht‘? ‚Was ist, wenn man zum Stichtag zur Liquiditätsfindung für das Soforthilfeprogramm noch keine Zahlungsunfähigkeit hatte, weil man eben vielleicht noch zweckgebundene Mittel auf dem Konto hat‘? Solche Probleme muss man jetzt lösen, damit die Programme auch nachhaltig wirken und damit wir auch sicher sein können, dass nicht zum Ende des Jahres eine große Pleitewelle kommt. Und das Zweite ist natürlich, dass wir die ersten Lockerungen bekommen. Es muss aber gelingen, dass man diese dann auch glaubhaft als Sport durchführt, damit es nachher nicht heißt ‚Durch den Sport ist da vielleicht wieder die Infektionsrate höher geworden‘. Wir müssen uns diszipliniert verhalten und in kleinen Schritten dazu kommen, dass der Sport langsam wieder in Gang kommt, weil er in meinen Augen auch jetzt in der Gesellschaft eine ganz, ganz große Rolle spielt. Jetzt merken Vereinsmitglieder, Bürgerinnen und Bürger, wie wichtig und selbstverständlich ein Sportverein geworden ist. Diese Wertigkeit muss man jetzt zu schätzen wissen und ich hoffe, die Politik erinnert sich dann auch später noch dran, wenn Corona vorbei ist.

RSB: Herr Palm, wie erleben Sie persönlich die Corona-Krise und wo lagen und liegen die Prioritäten in der Arbeit für den Rheinischen Schützenbund?

Willi Palm: Erst einmal danke für Ihre Ausführungen, Herr Klett. Wir haben als einer der ersten Verbände im Schießsport das Schießen gestoppt, keine Bezirks- und Landesmeisterschaften durchgeführt und damit seit Mitte März Stillstand. Uns ist natürlich bewusst, dass fehlende Einnahmen die Vereine derzeit an den Existenzrand bringen können und auch keine sportlichen Erfolge eingefahren werden. Da müssen wir ansetzen und ihnen so gut es geht zur Seite stehen. Aber auch wir als Landesverband haben unsere Schwierigkeiten mit der Krise und stellen uns die Frage: ‚Wo stehen wir finanziell‘? Durch die Hilfe, die jetzt vom Staat kommt, können wir einiges abfedern, aber eben nicht alles.

RSB: Die Not macht bekannterweise erfinderisch. Hören Sie viel von Vereinen oder auch Sportlern, wie diese mit der aktuellen Krise umgehen und lassen Sie sich davon auch inspirieren?

Stefan Klett: Das Stichwort ist Digitalisierung. Wir merken gerade, dass wir viele Dinge über Videochats, Videokonferenzen und digitale Tools regeln. Das ist eine gute und positive Entwicklung, die auch über Corona hinaus gültig sein wird. Aber es gibt auch weitere tolle Sachen. Wie zum Beispiel Online-Sportangebote, wo die Vereine ihre Mitglieder unterhalten oder wo Meetings abgehalten werden. Tatsächlich habe ich auch gesehen, dass abends die Leute zusammensitzen und sich ein paar Storys erzählen. Vielleicht auch mit einer ,Gerstenkaltschale‘ (lacht) dabei. Kreativ sind die Vereine vor allem in der Auseinandersetzung mit ihrem Sport und der Frage: ‚Was passiert denn jetzt eigentlich, wenn Lockerungen kommen?‘ Wir kriegen unheimlich viel Input von Vereinen, die sagen: ‚Wir haben uns mal Gedanken gemacht und wir könnten uns vorstellen, dass wir unseren Vereinsbetrieb mit den Bedingungen so oder so gestalten.‘ Das hilft unheimlich weiter. Aber ich habe auch gesehen, dass Sportvereine Nachbarschafts- und Einkaufshilfen anbieten. Da kommt dann auch der soziale Gedanke des Vereinssports zum Vorschein.

Willi Palm: Ich habe mitbekommen, dass einige Landestrainer virtuelle Trainingsmöglichkeiten eingerichtet haben, um weiterhin aktiv zu bleiben. In Rheinland-Pfalz dürfen seit 14 Tagen zwei Personen gleichzeitig auf offenen Schießständen schießen. Dort erstellen Vereine Online-Umfragen in Doodle-Listen, um die Trainingszeit auf dem Schießstand zu organisieren. Was die sogenannten traditionellen Schützenvereine hart trifft, ist der Wegfall von Schützenfesten oder anderen offenen Veranstaltungen. Das Thema Bürgernähe und ähnliche Themen kommen derzeit absolut zu kurz. Hier hoffen wir, dass die Vereine nicht der Mut verlässt und trotz Corona weitermachen.

RSB: Wie stehen Sie zu den erwartenden Öffnungen von Sportstätten und der Wiederaufnahme des Trainingsbetriebs? Die Sportministerinnen und Sportminister der Länder halten ja aktuell eine schrittweise Wiederaufnahme des Sportbetriebes unter diversen Auflagen für sinnvoll und angemessen.

Stefan Klett: Wir als Landessportbund sind der Meinung, dass Gesundheit immer ganz vorne steht. Da ist sich der Sport völlig einig. Aber wenn es Lockerungen gibt, dann gehört der organisierte und gemeinwohlorientierte Sport eben auch dazu. Und dann muss man Vereinen die Möglichkeit geben, sich im Rahmen der Regeln zu entfalten. Da gibt es die Zehn-Punkte-Aufstellung rund um Hygiene, Sicherheitsabstand etc., die die Landessportbünde mit dem DOSB aufgestellt haben (Anm. d. Red.: unter diesem Interview als Anlage) und die im Schieß- und Bogensport definitiv eingehalten werden können, wie ich heute hier beim RSB erfahren habe. Mittlerweile haben auf Ebene des DOSB über 30 Sportverbände ihre Konzepte entwickelt. Jetzt ist wichtig, dass diese Konzepte eingehalten werden. Ein weiterer Aspekt ist, dass der Sport auch eine sehr große gesellschaftliche Rolle spielt. Deswegen hoffen wir natürlich, dass die ersten Sportarten jetzt wieder gelockert werden.

Willi Palm: Es macht mir als älteren Menschen in der risikobehafteten Gruppe das Leben nicht leicht, zwei Monate ‚eingesperrt‘ zu sein und ich höre von vielen anderen, die ebenso alt sind und genauso darüber denken. Da sollte jetzt langsam aber sicher Erleichterung verschafft werden.

RSB: In dem Papier der Sportministerkonferenz sind die Landesfachverbände auch explizit als Multiplikatoren und Kommunikatoren für die Vereine genannt worden. Ist schon bekannt, welche Aufgaben auf den Landessportbund und die Landesfachverbände in Kombination zukommen?

Stefan Klett: All diese Regeln, die jetzt aufgestellt worden sind, wurden immer in Absprache mit den 16 Landessportbünden abgestimmt. Die Landessportbünde bekommen von ihren Fachverbänden ständig das Anforderungsprofil, das nötig ist, um zu lockern. Am Ende entscheidet aber immer die Gesundheitsbehörde. Diese kann erst sagen ‚Okay, ihr könnt wieder Sport machen‘, wenn diese klaren Regeln, die die Politik vorgibt, durch ein belastbares Konzept bestätigt werden. Das ist eine unheimlich große Entscheidungskette. Die Politik entscheidet nur im Grundsatz. Dann wird runtergebrochen über die Landesbehörden und schließlich in die Gesundheitsämter, bis dann das grüne Licht kommt.

RSB: Können Sie schon einen Blick in die Zukunft wagen? Wird sich die Sportwelt durch die Corona-Krise verändern und was lernt der Sport aus dieser Situation?

Stefan Klett: Der Sport kann lernen, dass er seinen Wert in der Gesellschaft, in der wir leben, nicht verstecken muss. Wir persönlich haben gelernt, wie wichtig ein Sportverein sein kann. Zudem glaube ich, dass man viel Zeit hat, über das Vereinsleben nachzudenken und einfach mal zu schauen, wo man in der Kommunikation oder Ausübung des Sportes noch was anders und besser machen. Viele Vereine sind ja während des laufenden Betriebes in einem ständigen Trott. Jetzt haben wir mal eine Pause - und ich erlebe das bei meinem eigenen Luftsportverein - da hat man Zeit, nachzudenken. Das nächste ist, wie eben schon besprochen, das Thema Digitalisierung und die Fragestellung: Kann man nicht bewusst das ein oder andere wie zum Beispiel eine Vorstandssitzung auch mal in einer Videokonferenz abhalten? Da haben wir uns bisher alle noch nie ran getraut. Zumindest nicht ab 50 aufwärts.

RSB: Wird es Veränderungen für den Rheinischen Schützenbund geben und wie könnten diese aussehen? Sowohl in sportlicher, als auch in gesellschaftlicher Hinsicht.

Willi Palm: Es wird sich vieles verändern. Die Möglichkeiten der Gestaltung sind für 2020 zunächst einmal auf Null gesetzt. Wir müssen Ersatz schaffen. Wir müssen etwas für die Zukunft machen, falls so etwas nochmal passiert. Das muss uns klar sein. Als Rheinischer Schützenbund versuchen wir schon seit geraumer Zeit das Miteinander mit und in der Gesellschaft zu fördern und das wird mit Sicherheit noch weiter vertieft werden. Darüber hinaus machen wir unseren Mitgliedern Angebote, die über den Sport hinaus gehen. Und das werden wir versuchen noch ein bisschen besser zu gestalten. Dafür haben wir mittlerweile eine gute Öffentlichkeitsarbeit im Verband.

Stefan Klett: Wenn jetzt diese Mischung zwischen Sport- und Traditionsschützen in einem Verband gemeinsam agiert, dann stößt sie auch insgesamt auf eine große Akzeptanz in der Bevölkerung, glaube ich. Ich komme vom Land und da kann man sich das Leben ohne Schützenvereine gar nicht vorstellen. Deswegen bin ich der Meinung, dass die Grundakzeptanz des Schießsports grundsätzlich in der Bevölkerung vorhanden ist.

Willi Palm: Das ist absolut richtig, da ist mit Sicherheit nochmal drauf zu setzen.

RSB: Können sie als Landessportbund und können wir als Fachverband gestärkt aus der Krise heraus gehen?

Stefan Klett: Ja! Denn die Verbände sowie die Sportlerinnen und Sportler haben gezeigt, dass sie sich erstens an Regeln halten können, dass sie zweitens ein gutes Netzwerk haben, das eng zusammenarbeitet, und dass sie drittens in der Lage sind, ihren wichtigen, gesellschaftlichen Anteil auch ernst zu nehmen und wahrzunehmen. Und sie tragen jetzt auch wieder dazu bei, dass die Gesellschaft ans Laufen kommt.

RSB: Haben Sie zum Abschluss noch einen allgemeinen Rat oder eine Botschaft für die Vereine, die sich trotz allem momentan noch so große Sorgen machen?

Stefan Klett: Eher einen Rat an die Mitglieder: Halten Sie den Vereinen die Treue und nutzen Sie bei den anstehenden Lockerungen die Chance, um wieder einzusteigen und vielleicht die ein oder andere Verbesserung im Vereinsleben vorzunehmen.

Willi Palm: Schützen sind hart im Nehmen! Jeder Schuss ist eine neue Chance. Das heißt also, man kann jede 9 mit einer 10 bestrafen.

Haben Sie Feedback für uns?

Ihr Kommentar wird verbandsintern an die zuständige Person/Gruppe weitergeleitet und nicht auf der RSB-Webseite veröffentlicht.