Ein Jahr nach der Flutkatastrophe
Überflutete Schützenheime, zerstörte Schießstände und beschädigte Vereinsgeschichte – wir alle haben die erschreckenden Bilder aus dem Juli 2021 noch im Kopf. Ein Jahr ist mittlerweile seit der verheerenden Flutkatastrophe vergangen und noch sind bei einigen Schützenvereinen längst nicht alle Schäden behoben worden. Wir haben die betroffenen Vereine nach ihren Herausforderungen der letzten 12 Monate und zum aktuellen Stand des Wiederaufbaus gefragt.
St. Seb. und St. Hub. SBR 1313 Rheinbach e.V.
"Der 14.07.2021 wird als einer der schwärzesten Tage in die Bruderschaftsgeschichte eingehen", schreibt uns Walter Honerbach, Brudermeister der St. Seb. und St. Hub. Schützenbruderschaft 1313 Rheinbach e.V. Der Tag, an dem aus dem Gräbbach, der normal idyllisch durch den Stadtpark und vorbei an der Schützenhalle und den Sportanlagen plätschert, ein reißender Fluss wurde. "Unser Schützenareal wurde bis zu einer Höhe von 3 Metern von einer schlammigen, öligen und stinkenden Brühe überflutet, die sich ihren Weg durch Türen und Fenster in alle Räume und Sportstätten der Bruderschaft gebahnt hat", so Honerbach weiter. Das Mobiliar in der Halle, der Küche und in den Sportstätten wurde innerhalb kürzester Zeit geflutet und unbrauchbar. Die Elektronik: zerstört. Sportwaffen und Trainingsausrüstung, besonders der Schützenjugend: verrostet, durchweicht und verschimmelt.
Damit noch nicht genug, hatte sich die Bruderschaft in den letzten Jahren darum gekümmert, das Anwesen und die Sportanlagen zu renovieren und mit Hilfe der NRW-Förderung "Moderne Sportstätte 2022" auf den neuesten technischen Stand zu bringen. Dazu gehörte auch eine neue Lüftungsanlage, die eigentlich am 14.07., dem Tag der Flut, in Betrieb genommen werden sollte.
"Gott sei Dank hat die Lüftungsanlage die Flut überlebt, da sie auf dem Dach unserer Schützenhalle montiert ist. Alle anderen Modernisierungen sind ein Opfer der Fluten geworden", blickt Honerbach auf den Schicksalstag zurück. "Die neue Heizung und neun elektronische Schießbahnen sind unbrauchbar geworden, Holzvertäfelungen, Rigipswände und unsere Thekenanlage sind durchweicht und verschimmelt und wurden ausgebaut und entsorgt. Auch der im vergangenen Jahr aufwendig aufgearbeitete Eichenholzfußboden wurde entfernt."
Wegen der Nähe der Schützenhalle zum Bach konnte keine Elementarversicherung abgeschlossen werden, der Verein wird den Wiederaufbau durch Spenden und Kredite finanzieren müssen. Hier hofft die Bruderschaft auch noch auf Hilfen von Bund und Land sowie auf private Spenden. Bis zu einer vollständigen Rückkehr in die Normalität wird es bei den Rheinbachern laut Honerbach allerdings noch etwas dauern:
"Wir wissen noch nicht, ob wir alles wieder so aufbauen können und dürfen, wie es vor der Flut einmal war. Aktuell sind wir im Dialog mit der Stadt Rheinbach, ein Grundstück für einen neuen Schützenplatz zu suchen." Eines wissen die Verantwortlichen aber sicher: "Dass das Ende unserer Bruderschaft nach über 700 Jahren für uns keine Option ist."
PSS Inden/Altdorf: "Im Verein wird der Sport wieder gelebt"
Auch an den Pankratius Sportschützen aus Inden/Altdorf ging die Flut leider nicht spurlos vorbei. Versuchte man zu Beginn des Unwetters noch einige Dinge im Vereinsheim zu retten, ordnete die örtliche Feuerwehr allerdings recht schnell eine Evakuierung des Standes an – die Katastrophe war nicht mehr zu verhindern.
"Überall hat das Wasser Geräte und Material zerstört. Alles was unterhalb von einem Meter gelagert war, war zerstört. Die Kleinkaliberkugelfänge waren bis zur Höhe der Standnummern abgesoffen und alle noch vorhandenen Zuganlagen für die 30m Armbrust standen einen Meter tief im Wasser", berichtet Fred Crützen, Vorsitzender der PSS Inden/Altdorf.
Schon am nächsten Morgen mobilisierte der Verein zahlreiche Mitglieder und andere freiwillige Helfer, die mit den ersten Aufräumarbeiten begannen: Entfernen der aufgequollenen Rigipswände, Beseitigung des aufgehäuften Schlamms und zerstörter Gegenstände. "Alleine damit waren wir bestimmt eine Woche beschäftigt", so Crützen. Weitere Tage wurden für die Entfernung des 250m² großen Turnhallenbodens und des Fußbodens im Aufenthaltsraum benötigt. Einige Mitglieder verbrachten bald jede freie Minute auf der Anlage, um die Schäden zu beseitigen. Das hatte einen guten Grund, denn der Sportbetrieb sollte schon bald wieder aufgenommen werden, berichtet Fred Crützen:
"Wir hatten uns eines fest vorgenommen – die Heimwettkämpfe in der Landesoberliga und in der 2. Bundesliga sollten da stattfinden, wo sie hingehören: zu Hause!" Und es sollte sich lohnen. Während das Training während der Renovierungsarbeiten zu den benachbarten Sportschützen Pier und den Sportschützen Langerwehe verlegt wurde, konnte pünktlich am 25.11.2021 tatsächlich der erste Schuss fallen. Zwar lag vieles noch im Argen, auch essenzielle Dinge wie Fußboden und Heizung fehlten – "doch das war uns egal. Die Ligawettkämpfe konnten auf dem Estrich mit provisorischen Infrarotheizungen stattfinden."
Und wie sieht es heute aus? Pünktlich zum ersten warmen Tag des Jahres war die Heizung fertig, seit Ostern haben die Pankratius Sportschützen wieder einen Fußbodenbelag im Aufenthaltsraum und seit Mai sind die Fliesen in der Küche und dem Büro gelegt. Darüber hinaus wird aktuell daran gearbeitet, die Theke wieder in Gang zu bringen.
Es geht vorwärts in Inden/Altdorf, sehr zur Freude des Vorsitzenden: "Ein paar Monate werden wir noch durchhalten müssen, aber es ist Licht am Ende des Tunnels. Die Jugendarbeit läuft auch wieder auf vollen Touren. Wir sind jedem Mitglied, das ständig bereitsteht und unzählige Stunden investiert hat, so unendlich dankbar. Im Verein wird der Sport wieder gelebt und das ist das Wichtigste!", so Crützen.
In Duisdorf siegte der Optimismus
Am Rande eines Waldstücks auf halber Höhe des Hardtbergs in Bonn liegt das Schützenhaus der St. Hub. Schützenbruderschaft Duisdorf 1911 e.V. Rund um den 14. Juli 2021 und einige Wochen danach war dieses aufgrund der bekannten Ereignisse kaum wiederzuerkennen. "Bei einem normalen Regen wäre das Wasser in diesem Wald im Boden versickert und nichts wäre passiert. Das Unwetter war jedoch so heftig, dass der Boden das Wasser nicht mehr aufnehmen konnte und der Fußweg vor dem Schützenhaus zum "Bachbett" wurde", erinnert sich Schriftführer Bodo Siegert. Mit schlimmen Konsequenzen – das Wasser drückte mit einer immer kräftiger werdenden Wucht gegen eine Mauer am 25m-Stand, brachte diese letztlich zu Fall und lief von da an ungehindert in die Schießbahnen und von dort aus in den gesamten Kellerbereich des Schützenhauses. "Das ging so schnell, dass die herbeigeeilten Schützenbrüder lediglich noch einige Gewehre aus dem Keller bergen konnten, danach war aus Sicherheitsgründen kein Betreten des Kellers mehr möglich", so Siegert.
"Auch die sofort herbeigerufene Feuerwehr konnte zunächst nicht verhindern, dass der Keller immer weiter volllief. Erst das Nachlassen des Regens und weitere Verstärkung seitens der Feuerwehr brachten eine Wendung und der Keller wurde allmählich vom Abend bis in die Morgenstunden leer gepumpt", so der Bericht aus Duisdorf.
Erst dann wurde das gesamte Ausmaß der Zerstörung sichtbar: Sämtliche Schießbahnen für Kleinkaliberwaffen sowie für Luftgewehr und Luftpistole waren betroffen. Genau wie alle Lagerräume für Material, die Tresore mit den Waffen, die Werkstatt, der Auswerteraum mit Computeranlage und das gesamte Archiv des Vereins.
Das Bild der Zerstörung, das sich den Duisdorfer Schützinnen und Schützen bot, regte die Mitglieder des Vereins zum Nachdenken an wie Bodo Siegert dem RSB mitteilt: "Zunächst machte sich eine gewisse Verzweiflung breit, es waren sogar Gedanken des Auflösens der Bruderschaft da, aber dann siegte der Optimismus und der Wille, alles wieder aufzubauen und herzurichten!"
Nicht zuletzt durch die hohe Spendenbereitschaft der Vereinsmitglieder sowie der Duisdorfer Bürger, der Duisdorfer Geschäftswelt und der befreundeten Vereine wurde so viel Geld gesammelt, um die Räume instand zu setzen und den Verein fortzuführen. "Wir sind allen Spendern zu großem Dank verpflichtet. Aber auch den Vereinsmitgliedern, die mit Rat und sehr viel Tat alles wieder in Ordnung gebracht haben und noch bringen", so Schriftführer Siegert.
Denn die Arbeiten am Schützenhaus sind noch nicht gänzlich abgeschlossen. Zwar konnte der 10m-Stand für Luftgewehr und Luftpistole wieder komplett hergerichtet und seit ein paar Wochen auch wieder genutzt werden – Sorgenkind bleibt aktuell noch der 25m-Stand. "Er war so zerstört, dass er komplett neu gebaut werden muss", berichtet Siegert und führt weiter aus: "Da dieser Aufbau als Neubau gilt, haben wir zunächst durch einen Schießstandsachverständigen ein Gutachten erstellen lassen. Wir hoffen, im Spätsommer/Frühherbst komplett mit dem Neubau fertig zu sein und die Abnahme durchführen lassen zu können, um danach auch dort den Schießbetrieb wieder aufnehmen zu können."
Auch wenn viele Monate harter Arbeit hinter der Schützenbruderschaft Duisdorf liegen, sind sich alle Mitglieder einig, damals mit dem Fortführen des Vereinsbestehens die richtige Entscheidung getroffen zu haben: "Heute können wir mit Recht und mit Stolz behaupten: Wir haben es geschafft!"
Balker Schießgesellschaft: Fast schon wieder Normalität
Es geschafft zu haben, das darf auch die Balker Schießgesellschaft 1907 e.V. aus Leichlingen von sich behaupten. Ein Jahr nach dem Hochwasser, bei dem das Wasser ca. 90cm im gesamten Gebäude stand, ist laut Michael Erstfeld fast schon wieder Normalität angesagt.
"Es ist noch nicht alles fertig, hier und da fehlen noch Abschlussleisten, der Bereich Theke ist noch in Arbeit und es fehlen noch Innentüren, die das Wasser einfach rausgedrückt hat. Am Anfang der Reparaturarbeiten hat man noch geglaubt, das ein oder andere retten zu können, aber sehr schnell hat man gelernt: Alles muss raus!", so der Vorsitzende des Vereins.
Das haben sich die Mitglieder dann auch zu Herzen genommen und fast alle Arbeiten, die am Vereinsheim zu erledigen waren, in Eigenleistung erbracht. "Auf das Miteinander während der Renovierung können die Mitglieder der Balker Schießgesellschaft stolz sein", so Erstfeld. Durch finanzielle Unterstützung seitens des Rheinischen Schützenbundes, des Landessportbundes Nordrhein-Westfalen und private Spenden konnte neues Material gekauft und auch die sich verdoppelten Energiekosten größtenteils abgefangen werden. Bedanken möchte sich die Balker SGes auch beim Bruderverein SV Trompete und deren Mitgliedern, die Material zur Verfügung stellten, damit der Schießbetrieb schnell wieder aufgenommen werden konnte und tatkräftig bei der Beseitigung des Unrates mithalfen.
Während es bei der Balker Schießgesellschaft also schnell wieder voran ging, waren und sind die Gedanken der Vereinsmitglieder bei den Menschen, die es im Sommer letzten Jahres deutlich härter getroffen hat: "Es ist ein großes Glück, dass in unseren Räumlichkeiten niemand wohnen muss und man nach Beendigung der Arbeiten nach Hause gehen und sein gewohntes Leben fortsetzen kann. Wieviel schlimmer hat es die getroffen, die ihr Hab und Gut oder noch schlimmer, einen lieben Menschen verloren haben?"
In Odendorf erinnert man sich an Sisyphus
Bei den Sportschützen Odendorf 1897 e.V. freute man sich – während im Sommer 2021 die Corona-Auflagen zunehmend zurückgenommen wurden, konnte im Verein zu einem normalen Zusammensein zurückgekehrt und insbesondere mit den Planungen für das 125-jährige Bestehen begonnen werden.
Aber: "Die Flutkatastrophe erstickte diese aufkommenden Hoffnungen im Keim", sagt Manfred Koch, Schriftführer der Odendorfer Sportschützen, der sich gemeinsam mit den Vereinsmitgliedern im Verlaufe des vergangenen Jahres an einige Parallelen zur Sisyphus-Geschichte erinnert fühlt.
"Hatte der Verein durch die Pandemie den Stein zum Gipfel des Hügels hinauf gestemmt, mussten die Odendorfer am 14. Juli 2021 mit ansehen, wie er wieder zum Fuß des Hügels hinunterrollte", so Koch. Genau wie Sisyphus gaben die Betroffenen allerdings nicht auf, sondern "krempelten die Ärmel hoch" und packten wieder an. So konnte dank der Hilfe von befreundeten und benachbarten Vereinen wenigstens der Trainingsbetrieb an anderer Stelle kurzfristig wieder aufgenommen und die Teilnahme an Meisterschaften sichergestellt werden.
Befeuert von diesem hohen Maß der Solidarität sowie Zusagen zur Unterstützung von Gemeinde, Land und Bund, teilte der Verein die Hoffnung, schon bald wieder in die eigenen vier Wände zu ziehen und sich dort treffen zu können.
Doch der Stein rollte erneut herunter und befindet sich wieder am Fuße des Hügels, wie Manfred Koch berichtet: "Ein Wiederaufbau am ursprünglichen Ort ist aufgrund von Umweltschutzauflagen – das Gelände ist nunmehr als Überschwemmungsgebiet für den Orbach definiert – nicht mehr möglich ist und obwohl sich die Gemeinde der Zuarbeit durch ein externes Unternehmen in Bezug auf die Unterstützung der von der Flut betroffenen Vereine versichert hat, ist bis zum heutigen Tag lediglich ein Grundstück zur Wiederrichtung des Vereinsgebäudes inklusive der Trainingsstätten benannt worden."
Trotz allem denken die Odendorfer Sportschützen nicht ans Aufgeben und tragen den Stein wieder hinauf. So soll diesen Herbst dennoch die Jubiläumsfeier zum 125-jährigen Bestehen des Traditionsvereines stattfinden – "nur leider nicht wie zu anfangs gehofft einhergehend mit dem Spatenstich zum Wiederaufbau."
Was tut sich in weiteren Vereinen?
Betroffen von der Flutkatastrophe war unter anderem auch der Lenneper Schützenverein 1805 e.V. Erwischt hatte es hier vor allem den KK-Stand, der vom Hochwasser überflutet wurde. Dieser konnte mittlerweile erfolgreich von außen abgedichtet werden – auch der Boden wurde von Grund auf erneuert. Da der Verein derzeit noch auf die Bearbeitung des Antrages bei "wiederaufbau.nrw" wartet, konnten andere Arbeiten bisher noch nicht gestartet werden. Die Bewilligung zur Übernahme der Schäden ist bereits am 22. Dezember 2021 erteilt worden. Seitdem warten die Schützinnen und Schützen in Lennep auf die Bearbeitung des Projektdatenblattes.
Frustrierend auch die Situation beim Sport-Schützenverein Buschhoven e.V. Seit Dezember 2021 wartet der Verein auf das Wertgutachten über die entstandenen Schäden. "Reparaturarbeiten konnten wir leider noch keine durchführen", so der 1. Vorsitzende, Peter Scheben.
Auch bei den Bürgerschützen Montjoie 1361 e.V. sind die Arbeiten noch nicht gänzlich abgeschlossen. Zwar wurden bisher die Scheibenzuganlagen auf den drei Schießbahnen bereits erneuert, doch stehen noch einige Renovierungsarbeiten an. Weil die Räumlichkeiten des Vereins erst seit Anfang Mai 2022 vollständig getrocknet sind, warten die Verantwortlichen seitdem auf die Hilfe der Handwerker. "Wir hoffen, im Laufe des Monats Juni mit den Renovierungsarbeiten beginnen zu können", so Georg Kaulen, Präsident der Bürgerschützen Montjoie.
Ähnlich sieht es beim Post-Sportverein Düsseldorf e.V. aus. "Bis die Arbeiten komplett beendet und die Schießanlagen vollständig vorhanden sein werden, wird noch einige Zeit vergehen", sagt Michael Schneider, Abteilungsleiter Sportschützen. Drei Monate hatte die Trocknungsphase des Gebäudes insgesamt angedauert. Der Wiederaufbau, in den bisher über 1.000 ehrenamtliche Arbeitsstunden gesteckt wurden, erfolgte bisher in Eigenregie durch die Mitglieder und mit befreundeter und familiärer Unterstützung. Aber auch in Düsseldorf ist laut Schneider mittlerweile ein Ende in Sicht: "Für den Spätsommer ist ein Helfer- und Familienfest geplant, um insbesondere allen zu danken, die im Rahmen ihrer Möglichkeiten geholfen und unterstützt haben. An dieser Stelle möchte ich mich auch bei den Initiatoren und Spendern der RSB-Spendenaktion "Schützen helfen Schützen" für die unbürokratische Unterstützung bedanken."
Fotos: RSB-Vereine
Haben Sie Feedback für uns?
Schicken Sie uns einen Kommentar